Vesta - war immer mit Keimfutter bestechbar



Vesta kam zusammen mit Sunny, Hansi und Pépe als Abgabevögel von unseren Nachbarn zu uns. Sie gehörten einer älteren Dame, die sich nicht mehr richtig um sie kümmern konnte. Was das Thema Freiflug betraf, so hieß es, dass sie "hin und wieder" mal in der Küche fliegen durften. Dies hat man ihnen auch leider angesehen. Vesta und Pépe waren zwar in der Lage, sich durch die Luft zu bewegen, konnten ihren Flug jedoch nicht koordinieren, Hansi und Sunny hingegen konnten sich kaum in die Luft hiefen. Der Käfig der Vier war von der Größe her eigentlich nur für zwei Wellensittiche mit ausreichen Freiflug gedacht und war zu allem Überfluss auch noch total verdreckt.

Vesta war, seitdem sie bei mir lebte, immer sehr still und zurückhaltend. Sie hat sich zu meinem Bedauern nie richtig in den Schwarm eingegliedert, war immer eine Außenseiterin. Wie sehr habe ich mir gewünscht, dass sie aus ihrem Schneckenhaus hervorkommt und sich in den Schwarm eingliedert, doch sie hielt sich immer etwas Abseits. Jedoch hatte sie ein Auge auf Hansi geworfen, dass sah man ihr an. Sie hielt sich fast immer in
seiner Nähe auf, wenn er wegflog flog sie ihm früher oder später hinterher, manchmal balzte sie ihn sogar an. Doch Hansi erwiderte ihre Zuneigung leider nicht und zeigte ihr das auch zu deutlich indem er sie knallhart ignorierte. Sie tat mir immer so leid, ich hätte es ihr so gegönnt.
Eine Sache ließ ihr Herz jedoch immer aufschlagen. Dann war sie kaum wiederzuerkennen, dann schien sie einfach lebhaft und neugierig, so wie Wellis es nunmal sein sollten. Diese eine Sache war Keimfutter, es gab wohl nichts, was sie lieber mochte. Sie wusste immer genau wann ich Keimfutter angesetzt hatte und wenn ich dann das Vogelzimmer betrat, machte sie mir auf unmissverständliche Weise klar, dass sie Keimfutter wollte. Sie flog dann immer auf einen bestimmten Ast und machte mir dies durch besondere Körperbewegungen klar. Sobald ich das Keimfutter auf der Hand hatte, kam sie auch schon gierig angeflogen. In diesen Augenblicken erschien sie mir glücklich. Und ich glaube, glückliche Augenblicke gab es in ihrem Leben nicht viele. Ihr Lebenlang kannte sie nur das eingesperrt sein in diesem zu kleinen Käfig, ich glaube, davon hat sie sich nie richtig erholt. Ich hoffe dennoch, dass sie das letzte Jahr ihres Lebens als schön empfand und das sie glücklich war.

Widmung
Mir ist genau das passiert, wovor ich mich immer am meisten fürchtete; nämlich ins Wellizimmer zu kommen und festzustellen, dass einer fehlt. Ich habe mir anfangs nichts dabei gedacht, schließlich kommt es immer mal wieder vor das ich den ein oder anderen nicht auf Anhieb sehe. Doch dieses mal war es anders. Du warst weder auf dem Baum, noch auf einer der drei Schaukeln, noch auf der Korkrindenschaukel noch auf dem Wandspielplatz oder in einer der beiden Kokosnussschaukeln, in denen du immer so gerne gelegen hast, du warst einfach nicht da. Als ich dies realisierte war mein erster Gedanke nur "bitte, bitte nicht". So began ich, mit Angst und Unsicherheit den Boden nach dir abzusuchen, aber immer in der Hoffnung, dich nicht zu finden. Ich traute mich kaum, unter den Baum zu gucken, doch letztlich blieb mir keine andere Wahl. Vorsichtig und ganz langsam drehte ich mich um, - und da sah ich dich friedlich liegen, mit deinen weißen, etwas abgespreizten Flügeln sahst du aus wie ein kleiner Engel. Auch hier war mein erster Gedanke "bitte, lass das nicht wahr sein" . Ich ging dann langsam aber sicher auf dich zu und blieb dann vor dir stehn. Ich traute mich nicht, dich in die Hand zunehmen, denn ich hatte Angst vor der Wahrheit, Angst festzustellen, dass du gestorben bist. Doch letztlich führte kein Weg daran vorbei und ich muss diese Wahrheit, die mir nicht gefällt, aktzeptieren. Ich habe dich noch Minutenlang in der Hand gehalten und dich gestreichelt, gekrault. Ich wollte dich festhalten, dich nicht loslassen. Der schlimmste Augenblick war der, als die Erde deinen wunderschönen Körper begrub. Zurück bleibt nur eine wunderschöne Errinerung an einen wunderbaren Wellensittich - und ein großes "warum". Warum bist du gestorben? Warum bist du so plötzlich gestorben? Warum war ich nicht bei dir? Und das Schlimmste: Warum habe ich nichts bemerkt? Viele Fragen auf die ich wohl nie eine Antwort finden werde.

Einen Tag vor deinem Tod habe ich einen eher scherzhaft gemeinten Bericht über die Zahl "23" gelesen und jetzt ist sie auch mir auf schmerzhafte Art und Weise begegnet: Du bist heute, den 23.06.2004 aus mir unerklärlichen Gründen von uns gegangen. Was ist das für ein seltsamer Zufall, auf den ich so gerne verzichtet hätte?

Ich weiß, du hast dir nichts sehnlicheres gewünscht als mit Hansi zusammen zu sein und ich hätte es dir so sehr gegönnt. Doch leider hat sich dieser Wunsch nie erfüllt. Vielleicht findest du da, wo du jetzt bist endlich deine große Liebe, ich wünsche es dir so sehr. Ich werde nie verstehen warum alles so gekommen ist, aber ich werde dich nie vergessen. Du hast mein Leben unglaublich bereichert und ich hoffe, dass du dieses Leben, so sehr wie ich dich, geliebt hast. Auf Wiedersehen Vesta, mein kleiner Engel!